Worpswede Künstlerkolonie, Weltdorf, neues Paradies als Mythos

 

Die Superlative  sind bekannt. Seit über 100 Jahren fasziniert das norddeutsche Dorf Künstler und Touristen. Aktuell wird der Bahnhof gefeiert, gebaut von Vogeler.
Dann gibt es eine große Sommerausstellung der Worpsweder Museen: Heinrich Vogeler Künstler, Träumer, Visionär. Sein Barkenhoff zieht magisch Besucher in den Bann, die das Besondere an und in Worpswede suchen. Mittlerweile gibt es unzählige Bücher über Kunst und Künstler in Worpswede.
 

Das Buch von Schmidt-Möbus pflegt insbesondere den Gründungs- Mythos, es widmet sich der Zeit etwa von 1889, Übersiedlung Mackensens nach Worpswede und dem Tod der noch jungen Paula Modersohn-Becker 1907. Die zum Teil weltberühmten Künstler  wie Rainer Maria Rilke, die sich in der Künstlervereinigung versammelten, zum Teil zusammen lebten werden in aller Ausführlichkeit dargestellt. Umfangreich werden Briefe und Tagebücher zitiert, die künstlerische Entwicklung auch in schönen Farbdrucken gezeigt.
Eine neue Entwicklung des Bürgertums kommt hier zum Tragen, die Hinwendung junger Frauen zur Malerei und natürlich zu den Malern, sie werden als Malweiber diffamiert, die Kunstakademien sind ihnen verschlossen, so das diese Kolonien außerhalb des akademischen Betriebs natürlich besonders interessant sind. Der Konflikt zwischen künstlerischer Entwicklung, Emanzipation und dem Familienleben ist deutlich.
 

Persönliche und psychologische Konflikte der Künstler   werden im Buch in den Vordergrund gestellt, weniger die ideologischen Brüche, die ja in extremen Unterschieden später deutlich werden, etwa dem völkischen Mackensen und dem Sozialutopisten Vogeler. Überhaupt werden die Mythen nicht entschlüsselt, sondern indirekt bedient, genau was die Autorin dem Literaturkritiker Muther in der Zeit vorwirft, betreibt sie auch. Linien, die zum 3. Reich führen, etwa  der sehr beliebte Langbehn oder die spätromantische Verklärung der Natur und des ehrlichen Landvolkes werden fast ganz gemieden. Auch die Einordnung der Kunst und der Künstler in die Identitätsbrüche der bürgerlichen Gesellschaft des ausgehenden Jahrhunderts werden nur in unzusammenhängenden Randbemerkungen bemerkt..
Man kann sagen, dies ist nicht Gegenstand des Buches über die Künstlerkolonie, diese gewisse Zeitlosigkeit fördert so allerdings den Mythos.

 

Wilfried Grünhagen

 Juni 2012

Schmidt-Möbus, Friederike:
Worpswede. Leben in einer Künstlerkolonie
298 S. Geb. mit Schutzumschlag
51 Farb- und Schwarzweißabbildungen
ISBN: 978-3-15-010744-7
EUR (D): 22,95 *
EUR (A) 23,60 / CHF 32,90