Mein Waldau – Theater
Ingrid Waldau / Michael Kruse, 

Es ist doch eine Freude zu erleben, dass der Carl Schünemann Verlag zu einem Kerngebiet
seiner Geschichte zurückgekehrt ist. Widmet er sich doch wieder zunehmend der Pflege anspruchsvoller Heimatliteratur und der niederdeutschen Sprache.
Nach dem preisgekrönten Buch des Jahres „Platt“ Wo und wie Plattdeutsch ist, von Stefan Bargstedt hat Schünemann ein weiteres Buch herausgebracht, das ganz konkret heimatkundlichen Charakters ist.
Ingrid Waldau, die Tochter des Begründers und langjährigen Leiters des Bremer Niederdeutschen Theaters, Ernst Waldau, berichtete dem Reporter und Redakteur von Radio Bremen, Michael Kruse, wie Sie ihre Eltern und ihren Vater, zumal als Leiter des Hauses, erlebt hat.
Wie aus der „Bremer Volksspielkunst-Gemeinschaft“ zunächst die „Waller Speeldeel“ und dann nach dem 2. Weltkrieg das „Niederdeutsche Theater“ wurde. Überraschend frei erzählt Ingrid Waldau aus ihrer Kindheit- und Jugendzeit, über den Vater, der oft keine Zeit für sie hatte. Der war, wie sie später einzusehen vermochte, in allererster Linie mit seinem Theater verheiratet.
Wie das Theatergebäude nach dem Kriege aufgebaut wurde. Die Schauspieler waren in die benachbarte Waller Trümmerwüste und in die Stadt ausgeschwärmt und klopften Mauersteine.
Ernst Waldau von bürgerlichem Beruf Bauingenieur zeichnete und baute auf.
Die niederdeutsche Bühne in der Waller Heerstrasse war das erste Theater in Bremen das wieder über ein eigenes Haus mit einer damals sehr modernen Bühne verfügte. 550 Zuschauer fasste der Saal. In der Spielzeit 1947/48 gab es 973 Vorstellungen vor 400 000 Zuschauern. Nach der Währungsreform 1948 musste das Theater Konkurs anmelden, wurde aber ein Vierteljahr später wieder eröffnet.
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Die Fotos entstanden gelegentlich einer Lesung von Ingrid Waldau im Helene – Kaisen - Haus am Ohlenhof in Gröpelingen,
am 12.11.2008
Oder Ingrid Waldau erzählt ausgesprochen farbig von dem Besuch des Bundespräsidenten
Karl Carstens. Der war mal wieder in seiner Heimatstadt gekommen und besuchte kulturelle Einrichtungen, die ihm lieb waren. Im Niederdeutschen Theater saß er natürlich in der ersten Reihe und sah “De Bruutschuß“, eine Coproduktion des Niederdeutschen mit dem Theater am Goetheplatz, niemand hatte ihm erzählt, dass es sich bei dem Stück um eine Persiflage auf Karl Maria von Weber, der Freischütz handelte.
Beim Besuch des Ensembles hinter den Kulissen, berichtet Ingrid Waldau, hätte er denn auch zugegeben: „Ich habe am Anfang richtig mitgelitten, weil ich dachte, mein Gott, was geht da oben alles schief...“
Für mich, den Rezensenten, der das Stück auch gesehen hatte, war es auch erst im Nachhinein der Beginn britischen Musikhumors an deutschen Theatern und Operhäusern.
Achtersinnig, seggt de Plattdüütschen, durfte doch vorher gerade mal insgeheim geschmunzelt werden
.

Ingrid Waldau berichtet diesbezüglich von einem Gastspiel ihres Ensembles vor den Bevenser Rauschbärten, wie sie sagt, jenes Vereins „Bevensen-Tagung“ zur Pflege und Erhaltung niederdeutschen Brauchtums. „Fröhstück üm Middernacht“ in der Übersetzung von Hans – Jürgen Ott wurde gegeben. Das erste Boulevardstück, ohne direkten niederdeutschen Bezug. Nicht eine Hand rührte sich zum Applaus, sagt sie. Am nächsten Morgen bei der Diskussion hätte man sie angesichts dieses Sakrilegs geradezu in der Luft zerrissen. „Boulevardtheater auf Plattdeutsch, das geht nicht denn ein Plattdeutscher trägt keinen Smoking“ wurde ihnen vorgehalten.
Der einzige, der aufstand und für sie in die Bresche sprang war der plattdeutsche Hörspielautor und Kritiker Dieter Bellmann: „Nur so, wie die Bremer es vormachen, geht es noch. Nur so kann man heutzutage noch Theater spielen. Sonst werdet ihr eines Tages erleben, dass keiner mehr kommt.“ Und die Bremer erlebten es.
Die Kultursenatorin Helga Trüpel machte weitere Subventionen davon abhängig, dass pro Spielzeit nur noch ein hochdeutsches Stück gegeben wurde. Auf Weisung des Senats musste die Schauspielschule des Hauses, an der Akteure professionell ausgebildet wurden, auch geschlossen werden. Es kam wie Bellmann vorausgesagt hatte. Das Haus, aber auch das Ensemble hatte nicht nur mit den Folgen eines Großbrandes fertig zu werden.
Ende November 1998 mitten in der Weihnachtsspielzeit brannte das Bühnenhaus ab.
Alle Kulissen, Kostüme und Requisiten wurden ein Raub der Flammen.
Sie hatten sich an die Vorgaben des Senats zu halten.
Folge: Zuschauer blieben weg. Was passierte, ist bekannt: Die Insolvenz und eine jahrelange Agonie. Im Jahre 2004 fiel der letzte Vorhang.
Lesen Sie das Buch und schauen Sie sich die vielen Bilder an. Sie werden an die schönen Abende denken, die Sie in dem Haus neben dem Waller Bahnhof, dem Theaterbahnhof, erlebt haben. Das Buch Ingrid Waldau / Michael Kruse, Mein Waldau Theater ist im
Carl Schünemann Verlag in Bremen erschienen, den Satz und die Gestaltung besorgte der Verlag selbst, der sehr sorgfältige Druck erfolgte in der Druckerei Asendorf in Bremen.
Es kann zum wohlfeilen Preis von 19,90 € in jeder besseren Buchhandlung erworben werden.
 

Hans-Jürgen Paape