Der Norden und das Licht sind auch heute noch mythische Figuren, die benutzt werden, um das besondere dieses Künstlerdorfes im Teufelsmoor bei Bremen zu beschreiben, es geht um das reine Naturerlebnis, das "zurück zur Natur", das gesunde und organische Leben wurde und wird seit 100 Jahren in Worpswede gesucht und auch gefunden, insbesondere die Maler Modersohn, Mackensen Modersohn-Becker, Vogeler
und der Schriftsteller Rilke haben zum Weltruhm beigetragen.
In Bremen sind Werke der Kunsthalle und die Böttcherstraße Zeugen des Ruhmes.Nach wie vor pilgern Scharen von Besuchern
nach Worpswede, um sich von der besonderen Atmosphäre beeindrucken zu lassen.

"Landschaft, Licht und niederdeutscher Mythos -
Die Worpsweder Kunst und der Nationalsozialismus"

Ein Buch von Arn Strohmeyer, Kai Artinger und Ferdinand Krogmann.

Insbesondere der Bremer Journalist Strohmeyer, der sich seit vielen Jahren mit der Aufarbeitung, häufiger mit der Verdrängung der nat-soz. Vergangenheit
beschäftigt, hier mit der Flucht der Worpsweder aus der Zustimmung zum Nationalsozialismus und den völkischen Kunstrichtungen, hat zu diesem Buch beigetragen.
Dazu gehören die ideologischen Voraussetzungen der Künstler aus dem 19. Jahrhundert, die Rolle des Bremer Kaufmannes und Mäzens Roselius, der die Böttcherstraße nach völkischen Ideen gestalten ließ.
Dazu ein Aufsatz zu dem bekannten Bremer Jugendschriftsteller Manfred Hausmann, "Abel mit der Mundharmonika", der sich nach dem Krieg wieder auf seine christlichen Wurzeln besann und der in der Öffentlichkeit nicht als Mitläufer der Nazis gilt.

Kai Artinger hat sich mit der ersten Generation der Maler (Modersohn und Mackensen) auseinandergesetzt.Hierzu gehört das Vorbild von Langbehn, der Rembrandtdeutsche, der als unmittelbarer Ideengeber des völkischen Denkens gilt und zum direkten Weg der Künstler ins 3.Reich führte.

Krogmann untersucht die Werke der Schriftsteller und entsprechende Pressestimmen in der Zeit, auch hier finden wir breite und starke Zustimmung vor.

All diese Beispiele zeigen, dass die Zustimmung kein Zufall war, nicht die "Verstrickung" oder Naivität einzelner Künstler.

Das Beispiel des Malers Vogeler zeigt aber auch, dass es keine zwangsläufige mechanische Entwicklung in den Nat-soz. geben musste. Interessant ist bis heute geblieben, den Mythos Worpswede auf seine Besonderheiten hin zu untersuchen, die Herkunft aus romantisch-konservativen Ideen des 19.Jahrhunderts, die Suche nach dem ursprünglichen unverfälschten Leben, die Ablehnung des bürgerlichen Spießerlebens, zu der dann auch die Flucht aus Moderne und Aufklärung insgesamt wurden.
Zusammen mit dem Erlebnis der Schrecken des 1.Weltkrieges haben wir die Ideologie des deutschen Faschismus offen vor uns liegen. Bestimmte Grundmuster kehren auch
heute wieder, die Alternativ- oder Ökologie-Bewegung greift diese Ansätze auf, auch die linke Kritik an der Entfremdung in der bürgerlichen Gesellschaft zeigt Verwandtschaft.

Ein besonderes Kapitel ist sicher die Verdrängung nach dem 2.Krieg, sowie die Geschichtslosigkeit heute, diese Aufarbeitung stößt vielfach auf Ablehnung,sie gilt als Nestbeschmutzung oder auf Unverständnis. Das Ideal des Künstlers als Genie, der ohne Voraussetzungen seines Umfeldes nur für die reine Kunst lebt, findet
auch heute immer wieder Bejahung.

Also ein guter und nötiger Beitrag zum Verstehen des Mythos Worpswede, es tut diesem Verstehen kein Abbruch zur Freude an Kunstwerken, zum Aufnehmen der Besonderheit Worpswedes oder der Böttcherstraße.

Wilfried Grünhagen


160 S. m. 20 Abb., davon ca. 8 farbig, 13,5 x 20,5 cm, Br
ISBN 978-3-7861-2596-9