Auf der Spur des Bösen - Ein Profiler berichtet

Titel und Untertitel zeigen deutlich unterschiedliche Wege.
Ein Profiler aus Bremen berichtet aus seiner Arbeit als Polizist in 30 Jahren. Die Namen wurden geändert, einige spektakuläre Mordfälle allesamt aus Bremen bleiben im Gedächtnis. Der Autor zitiert, es gehe um Details. Der Profier nutzt oder entwickelt wissenschaftliche Methoden zur Analyse von Fällen.

Der Titel selbst weist auf zwei Dinge, Spuren und das Böse.
Spuren führen irgendwo hin, im Wildwestroman führen sie den Trapper und den Sheriff weiter, „Eindrücke“ führen dem Gesuchten auf die Spur, es gibt Funde im Bekannten in das vorerst noch Unbekannte, so wird es berechenbar. Hier also der Übergang zu Überlegungen, was das „Böse“ sein kann.
Der Autor bekennt schon im ersten Satz des Buches: “Ich weiss nicht, was das Böse ist.“
Das ist einerseits wohltuend knapp, er verliert sich nicht in Spekulation, andererseits als Titel etwas irreführend.

Der Beruf in der Mordkommission und als sogenannter Profiler, gibt es eigentlich keinen sinnvollen deutschen Begriff hierfür, beschäftigt sich permanent mit Täter und Opfern, Schuld und Sühne. So können theologische und moralische Fragen ins Spiel kommen.
Der berühmte Titel von Dostojewski,Schuld und Sühne, legt dies nahe. Dieser Titel kann allerdings auch  profan mit Verbrechen und Strafe übersetzt werden.

Das Wesentliche des Buches ist ein fast sachlicher Bericht über die Arbei an Mordfällen aus Bremen.Wieso verstümmelt jemand eine Leiche. Ist es Mord oder Selbstmord bei einemToten, der morgens in einem Intercity-Zug im Bremer Hauptbahnhof gefunden wird.

Die Arbeit mit Hilfe von DNS-Spuren, ein wissenschaftlicher Durchbruch, der noch alte Fälle lösen hilft. Im Schlusskapitel Beziehungstode unterschiedlicher Art, Motive.

Täter und Opfer. Es  sind so ungterschiedliche Fälle, dass nach Ansicht des Autors keine klare Antwort zum Bösen möglich ist. Morde werden allerdings zu 90  Prozent aufgeklärt, es hilft fast immer Routine, diese wird auch im verwandten Jargon kennbar,Beispiele: Mutilation für Verstümmelung, Schmauchaustragungen, Augenscheinnahme, Blutspurenbilder,
Tropf-, Hypergeschwindigkeits-, Schleuder-, arterille Verletzungsspuren.

Trotzdem ist es keine reine Routine für die Beteiligten, dies gilt für alle  Berufe, die sich mit Toten und Ermordeten beschäftigen müssen. Schutzmechanismen wie Kälte  oder Zynismus, professioneller Sprachgebrauch helfen  nur begrenzt. Jeder der mit Toten zu tun hat wird die Eindrücke, die Gerüche, die Bilder nicht los. Dies zeigt  das Buch von Petermann deutlich, auch wenn die persönliche Seite zurück genommen wird. Es unterscheidet sich damit deutlich von der üblichen Kriminalliteratur und macht den Gewinn aus.

Die Romane leben von starken Schilderungen, vom Grusel, der permanent erzeugt wird. Häufige Themen sind zur Zeit Serienmorde oder Terrrorismus. Serienmorde gibt es real allerdings eher selten, so auch die Aussage des Autors.

Abschliessend nochmal die Eingangsfrage nach dem Bösen. Der Autor Axel Petermann gibt Eindrücke, Hinweise, Spuren wieder, vermeidet metaphysische Spekulation. Können wir das Böse orten. Ich meine, es gibt durchaus Näherungen. Armut erzeugt Kriminalität, also das Böse. Gewalt gegen Menschen, so unterschiedlich sie wirkt und aussieht, nährt sich aus krassen Gegensätzen von arm und reich. Auch aus den gezeigten Fällen wird dies deutlich, sowohl Opfer wie Täter sind durchweg arme Teufel, sozial und psychisch deformiert.

Wir tun gut daran, dieses menschlich nahe Thema nicht  sensationsgeilen Medien und deren Kunden zu überlassen. Auch hierin liegt ein wesentliches Verdienst des vorliegenden Buches.

 

Wilfried Grünhagen

Juni 2010

Axel Petermann
Auf der Spur des Bösen
Ein Profiler berichtet
304 Seiten, € 8,95 [D]
Erschienen: 14.05.10
Ullstein-Verlag