Der Profiler

Das dritte Buch von Axel Petermann, mittlerweile ehemaliger Profiler der Bremer Kripo ist im Heyne-Verlag erschienen. Es geht auch hier wieder um spektakuläre Fälle, Morde, die sich nicht schnell auflösen.
Beide vorigen Bücher wurden Bestseller, siehe Rezensionen hier im Archiv. So wird auch das Marketing marktschreierischer, vom profiliertesten Profiler Deutschlands, wenn nicht Europas ist hier die Rede, eine Aussage ohne Sinn und Maß; der Leser wird durch Einblick in die Gefühls- und Gedanken Welt selbst zum Profiler.
Vermutlich teilt Petermann diese Eitelkeiten nicht, auf alle Fälle sind sie nicht hilfreich bei der Arbeit, es ist die geduldige Suche nach dem „wie“ und „warum“ von Tat und Täter, dies wird in der Tat von Petermann gut dargestellt. Dazu ungeschönte Darstellung von Leiden und Verwesung, Rekonstruktionen der Tat, die auch in Schlachthäuser führen.
Im Laufe der Jahre wird er zum Spezialisten für ungeklärte Morde, so auch der Untertitel dieses jüngsten Buches. Als Privatdetektiv untersucht er einen
ungeklärten Mord an einer jungen Frau in Sachsen-Anhalt von vor 20 Jahren, auf über 100 Seiten werden Spuren hinter der Spur gesucht, Petermann ist sich sicher, dass der Mörder noch überführt wird und auch gesteht.

Für mich der spektakulärste Fall ist kein Mord, sondern ein Foltervorwurf im
Gefängnis Oslebshausen, der auch durch die Bremer Öffentlichkeit ging und
zu den üblichen politischen Ritualen führte. Der Alltag im Gefängnis mit realer
Gewalt und den latenten Drohungen in dieser abgeschotteten Welt wird sehr gut dargestellt, so kommt schliesslich heraus, dass die Verletzungen vom Opfer selbst unter Drogen zugefügt wurden, Schmerzen die sich, auch nach Urteil von Fachleuten normal niemand antut.

In gut 90 % der Fälle kennen sich Täter und Opfer, so lösen sich viele Fälle
schnell auf, Vermisstenanzeigen dienen dann als Vorwand, um eine Tat zunächst
zu verdecken, anders als in konservativen Ideologien ist die Familie eben auch
mitunter ein Hort des Verbrechens, auch dies wird von Petermann schonungslos
benannt. Schließlich, auch das realistisch, ein Fall, der nach langer Zeit nicht
mehr aufgeklärt werden kann.

Dann auch im Epilog wieder die Frage nach der menschlichen Seite, nach dem
„Bösen“, es endet mit der Überzeugung Petermanns:
„Denn eine Gewissheit gibt es im Leben:Das Böse wird es immer geben“

Hier sieht er also eine naturgegebene anthropologische Seite, in der Tat sind
Menschen fähig zum Morden, auch mit Lust. Nach meiner Meinung kann vieles mit den Umständen erklärt werden, das heisst aber! nicht entschuldigt werden. Und auch hier bleibt ein Rest.. Wir können und müssen auch eine Zunahme von Gewalt konstatieren, von durchgedrehten Einzeltätern, z,B. Breivik in Norwegen, der als Tempelritter im Namen einer höheren Ordnung mordet, bis zu Morden in Bürgerkriegen und aufgelösten Staaten, die auch von
westlichen Regierungen nach Interessen gefördert werden. Dazu kommt die Funktion
von Medien, wenn Gewaltszenen aller Art der Erregung dienen, schon Kinder damit
in Berührung kommen, dann dürfen wir uns nicht über Leere, das Nichts, die Sinnlosigkeit wundern, alles Synonyme für das Böse.

Wilfried Grünhagen
im Juli 2015 aus einem Land meist ohne Sommer

AXEL PETERMANN
Der Profiler
Ein Spezialist für ungeklärte Morde berichtet
ORIGINALAUSGABE
Taschenbuch, Broschur, 304 Seiten, 11,8 x 18,7 cm
ISBN: 978-3-453-60359-2
€ 9,99 [D] | € 10,30 [A] | CHF 13,90 *