Das letzte Tabu

2 Bremer,Prominente für Bremer Verhältnisse, haben ein Buch über
den Umgang mit Sterben geschrieben.

„Das letzte Tabu“ ist ein reißerischer Titel unterlegt von einem grellen Orange.
Es gab immer Religion mit Ritualen des Umganges mit dem Tod, ein Kapitel hier
beschäftigt sich auch mit Änderungen in den letzten Jahrzehnten, es gibt eine Ratgeberliteratur mit den Moden der Zeit, z. B. die erwähnte Kübler-Ross in den 70ern, eine spätere new-age-Heilerin, die in der Szene viele Anhänger gefunden hat.

Zudem gibt es genügend alltägliche Tabus, Kindesmissbrauch in den
Kirchen, Kinderarmut gerade in Bremen. Oder profan politisch die Verantwortung
des beschworenen freien Westens für Flüchtlingselend im Nahen Osten.
Der sachliche Untertitel fordert auf, über das eigene Sterben und den eigenen Tod zu reden.
Annelie Keil, Gesundheitswissenschaftlerin, hat sich besonders mit der Hospizbewegung und der Palliativmedizin befasst, hier kommen eigene Erlebnisse
mit Krankheit und Leid zum Tragen, die den Kapiteln Gewicht geben.
An der Seite von Sterbenden bleiben, die sehr unterschiedlichen Weisen von
sterbenden Menschen anzunehmen ist das Anliegen, Die Reflektionen dazu enden
im „Spirituellen“, wir können Glauben annehmen oder nicht, endgültige Antworten
gibt es nicht. Der vor wenigen Jahren an Krebs gestorbene Schriftsteller Herrndorf
(Tschick) hat sein Leben angesichts des Todes sehr genau beschrieben.
Ob man Atheist ist, entscheidet sich auf den letzten Metern.
Henning Scherf befasst sich mit Trauerritualen und Abschied nehmen,hier ist
von der Lebenskunst des Abschiednehmens die Rede, nicht von den sozialen Umständen der sterbenden Menschen.
“:Stirbt der Arme, dass sich Gott erbarme“, dieser Spruch in meiner Familie hat
für mich weiterhin Gültigkeit. So sagt auch der Sozialphilosoph Horkheimer 1932: "Alle müssen sterben - gewiss, aber nicht alle sterben gleich".
Das Anliegen, die Menschen nicht allein zu lassen, ist gut und gültig,
bei Scherf kommt für mich doch das bekannte Pathos des Positiven allzu deutlich vor.
Diese Pathos hat schon seinen Bestseller „Grau ist bunt“ deutlich geprägt.

Das Buch der beiden ist gut und ernsthaft genug, gelesen zu werden,gerade in einer Gesellschaft, die auf der OBERFLÄCHE grell und glitzernd scheint.
Ich will mit einem leisen Ton enden, im nächsten Frühling werden die Amseln wieder ihr Lied singen, die Spatzen werden schilpen - und wir werden irgendwann nicht mehr da sein.

W.Grünhagen
im N o v e m b e r 2016.

Verlag Herder
1. Auflage 2016
Gebunden mit Schutzumschlag
256 Seiten
ISBN: 978-3-451-34926-3